Blogeintrag

Mythos Stadionfinanzierung

Mythen in der Diskussion zur „Stadionfinanzierung in Oldenburg“

Nach 25 Jahren kehrte der VfB Oldenburg im Juni 2022 in den Profifußball (3. Liga) zurück. Seitdem läuft auch nach dem direkten Wiederabstieg des VfB in die Regionalliga Nord in Oldenburg die Debatte darum, ob aus öffentlichen Steuergeldern ein zweites Fußballstadion in unserer Stadt gebaut werden soll. Dieses zweite Stadion wäre im Fall eines Wiederaufstiegs des VfB perspektivisch notwendig, um die Lizenzbedingungen des DFB zu erfüllen. Am 15.04.2024 soll der Rat der Stadt Oldenburg eine endgültige Entscheidung über einen möglichen städtisch finanzierten Neubau an der Maastrichter Straße treffen. Die politische Debatte wird dabei leider häufig eher emotional als faktenorientiert geführt. Insbesondere zur Stadionfinanzierung werden leider immer wieder „Mythen“ vorgetragen, auf die unser Finanzausschuss-Mitglied Dr. Sebastian Rohe im folgenden Beitrag eingeht. 

Mythos 1: 

Wenn der Neubau mit städtischem Eigenkapital finanziert wird, werden erhebliche Zinskosten eingespart und die jährlichen Kosten für die Stadt werden deutlich geringer sein. 

Antwort: 

Die Stadionfinanzierung wird durch städtisches Eigenkapital in der Tat günstiger. Aber für die städtischen Gesamtfinanzen ist dies eine Milchmädchenrechnung nach dem Prinzip „linke Tasche, rechte Tasche“. Die liquiden Mittel auf dem städtischen Konto sind begrenzt. Statt 20 Millionen Euro als Eigenkapital in eine Stadion-Gesellschaft einzubringen, könnte man dieses Geld ebenso in den städtischen Eigenbetrieb für Gebäudewirtschaft und Hochbau (EGH) stecken. Dieser zahlte allein im Jahr 2023 3,8 Millionen Euro Zinskosten und könnte eine Finanzspritze also ebenso gebrauchen. Der Eigenbetrieb ist unter anderem für alle Schulbauten zuständig und könnte eine Budgeterhöhung von 20 Millionen Euro bspw. sehr gut verwenden. 

Zwar würde durch eine städtische Eigenkapitalstärkung die Bilanz der Stadion-Gesellschaft schöngerechnet; für den städtischen Haushalt als „Gesamtkonzern“ gibt es aber keinen positiven finanziellen Effekt, solange auch andere Gesellschaften das verfügbare städtische Kapital nutzen könnten.  

Ausführlicher Hintergrund:

Die Baukosten für das zweite Stadion werden laut aktuellem Gutachten – je nach Variante (7.500 – 10.000 Zuschauende) auf 47 bis 58 Millionen Euro geschätzt. Davon ausgenommen sind noch die Kosten für das Grundstück und einige weitere kleinere Kostenpunkte. Viel entscheidender aus Sicht des städtischen Haushalts sind aber die jährlichen Zuschusskosten für die Stadion-Gesellschaft, die ja das neue Stadion als städtische Tochter bauen und betreiben soll (was nach allen Prognosen immer ein Zuschussgeschäft bleiben wird). 

Die Prognosen für diese jährlichen Zuschusskosten bewegen sich zwischen 1,7 und 2,8 Millionen Euro (je nach Ligazugehörigkeit, Zinsniveau und Stadiongröße). Davon machen allein die jährlichen Zinskosten ein gutes Drittel, also zwischen 554.000 € und 847.000 € aus. Angesichts dieser Zahlen verwundert es nicht, dass die größten Stadionfans der Oldenburger Lokalpolitik – namentlich Oberbürgermeister Jürgen Krogmann und die BSW-Fraktion – auf das vermeintlich gut gefüllte städtische Konto schielen und eine Finanzierung aus Eigenkapital ins Spiel brachten. Um die jährliche Überweisung an die Banken zu senken, könnte man doch aus der „Liquidität“ von 124 Millionen Euro, die Stand Ende Februar 2024 vermeintlich ungenutzt in der Stadtkasse lagen, 20 Millionen zur Finanzierung des Stadions bereitstellen. Im „günstigsten“ Szenario würde sich so die jährliche Belastung für den städtischen Haushalt von 1,7 auf 1,42 Millionen Euro reduzieren, d.h. die jährlichen Zinsaufwendungen um gut 300.000 Euro sinken. 

Dass dies aber eine Milchmädchenrechnung ist, wird beim Blick in den im März 2024 im Betriebsausschuss für den EGH vorgestellten „Finanz- und Leistungsbericht“ deutlich: Der Betrieb ist für Bau, Sanierung und Unterhaltung von Schulgebäuden, Sporthallen und sonstigen städtischen Gebäuden (etwa für die Verwaltung oder auch die CCO-Tiefgarage) zuständig. Erst vor wenigen Wochen beschloss unsere GRÜNEN-Fraktion gemeinsam mit der SPD zudem, dass der EGH in Zukunft auch aktiv Wohnraum für die Oldenburger Bevölkerung schaffen sollte. 

Eben dieser EGH zahlt laut „Finanz- und Leistungsbericht“ im Jahr 2023 4,3 Millionen Euro an Zinskosten für aufgenommene Bankkredite. Auf Nachfrage gab die Verwaltung in der BEGH-Sitzung vom März zur Auskunft, dass der EGH aktuell nur rund die Hälfte seiner Kredite direkt bei der Stadt Oldenburg aufnimmt (zum attraktiven Zinssatz von 0,0 Prozent). Die andere Hälfte erfolgt als Fremdfinanzierung am Kapitalmarkt (zu entsprechend höheren Zinsen) und dieser Anteil würde voraussichtlich in den nächsten Jahren aufgrund der prognostizierten Haushaltslage der Stadt Oldenburg weiter steigen. 

Allein das Beispiel des EGH zeigt, dass die Eigenkapitalstärkung der Stadion-Gesellschaft eben nicht zu einem Netto-Gewinn für die gesamte Stadt Oldenburg führt. Letzen Endes werden dadurch nur mit dem Rechenschieber die Verluste derjenigen Gesellschaft verringert, die ein Stadion für den Profifußball betreibt. Auf der anderen Seite muss der EGH zunehmend teure Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen und steht dadurch in der Bilanz schlechter da. 

Dies zeigt auch, dass die Verteilung der städtischen Gelder immer eine Frage der politischen Schwerpunkte ist. Aus Sicht unserer Fraktion läge die Priorität hier klar bei einer Eigenkapitalstärkung derjenigen städtischen Töchter, die sich um Sporthallen, Schulgebäude und Wohnungen kümmert. Mit Blick auf die begrenzten städtischen Mittel haben wir GRÜNEN mehrmals vorgeschlagen, den VfB beim Bau eines eigenen Stadions mit einem 30-prozentigen Investitionskostenzuschuss zu fördern, wie die Stadt dies auch mit allen anderen Sportvereinen im Rahmen ihrer Sportförderrichtlinie tut. 

Mythos 2: 

Der städtische Gesamthaushalt liegt bei über 700 Millionen Euro. Der jährliche Zuschuss für das Stadion betrüge gerade mal 0,3 Prozent des Gesamthaushaltes. Das können wir uns doch locker leisten. 

Antwort: 

Ein Großteil der 700 Millionen Euro des städtischen Haushalts sind gesetzlich verpflichtende Leistungen, auf die die Kommunalpolitik keinen Einfluss hat. Die Höhe der freiwilligen kommunalen Zuweisungen ist nicht exakt zu bestimmen, liegt aber schätzungsweise bei 10% und damit eher bei 70 Millionen Euro. Die jährlichen Kosten eines städtisch finanzierten Stadions betragen anteilig also eher 2,4 bis 4 Prozent der von der Kommune beeinflussbaren Ausgaben. 

Hintergrund:

Vereinfacht gesagt lässt sich zwischen gesetzlichen Pflichtleistungen und freiwilligen Leistungen unterscheiden. Zu den Pflichtleistungen gehören etwa die Auszahlung von Sozialleistungen oder die Bereitstellung von Schulgebäuden. Zu diesen Leistungen ist die Kommune gesetzlich verpflichtet. Die Kommunen erhalten zur Erfüllung dieser Aufgaben anteilige Steuereinnahmen oder Zuweisungen von den Ländern bzw. dem Bund (oft in unzureichendem Maße; Bund und Länder beschließen gerne neue Maßnahmen, die dann von den Kommunen erbracht werden sollen, ohne dass diese dafür ausreichend finanzielle Mittel erhalten. Dies nur am Rande, wer sich für weitere Details interessiert, möge das Stichwort „Konnexitätsprinzip“ googeln.) 

Übrig bleiben sogenannte freiwillige kommunale Aufgaben. Dazu gehört etwa der Betrieb von Schwimmbädern, die Zuweisung an Vereine und Initiativen in der Stadt, aber auch die meisten Aufgaben im Bereich des Klimaschutzes oder der Klimawandelanpassung. Der genaue Anteil der freiwilligen Leistungen am kommunalen Haushalt ist nicht exakt zu bestimmen. In einem Verwaltungsschreiben vom 13.09.2023 an die Ratsfraktionen ist die Rede von knapp über 45 Millionen Euro als freiwillige Zuweisungen an Dritte, die im Jahr 2023 im Haushalt eingestellt waren. Hinzu kommt ein nicht genau bestimmter Anteil von freiwilligen kommunalen „Eigenleistungen“ durch städtisches Personal oder den Betrieb städtischer Gebäude. Eine Praxishilfe des niedersächsischen Landesrechnungshofs von 2017 spricht davon, dass Kommunen in der Regel 5 bis 10 Prozent ihres Gesamthaushaltes für freiwillige Leistungen aufbringen sollen und Kommunen in der Haushaltssicherung (also verschuldete Kommunen) maximal 3 Prozent. Ein Wert von 10% des Gesamthaushalts ist also für eine – in den letzten Jahren – finanziell gut aufgestellte Kommune wie Oldenburg eine realistische Größenordnung. 

Die meisten freiwilligen Leistungen werden jährlich neu im Zuge der Haushaltsaufstellung politisch neu verhandelt und eingestellt. Ein Beispiel ist das städtische Förderprogramm für die energetische Altbausanierung, das im Jahr 2024 mit 1,5 Millionen Euro zur Buche schlägt. In schwierigen Haushaltsjahren kann dieser Betrag entsprechend auch schnell einer Kürzung zum Opfer fallen. Dies unterscheidet solche freiwilligen Leistungen von einer Infrastrukturausgabe wie einem Stadion. Einmal ausgegeben, muss dieses über viele Jahrzehnte unterhalten und bezahlt werden. Diese „Dauerkosten“ erhöhen also nochmals die finanzielle Tragweite, die mit der Entscheidung über ein städtisch finanziertes zweites Stadion für Oldenburg verbunden ist. Einmal gebaut, wird dieses Stadion den kommunalen Finanzspielraum über Jahrzehnte erheblich einschränken.