
Rede im Rat am 24.02.2025 zu TOP 16.1 Edith-Russ-Haus für Medienkunst, weiteres Vorgehen
Sehr geehrter Ratsvorsitzender, Herr Oberbürgermeister, Ratsfrauen und -herren, liebe Oldenburger:innen,
wir sind heute hier, um einen wichtigen Schritt in der Geschichte unseres Medienhauses zu gehen - des Medienhauses, das aktuell den Namen Edith-Russ-Haus trägt und nahe dem Standort der alten Synagoge und des Jüdisches Gemeindehauses sowie des 1967 errichteten Gedenksteins steht. Wir wollen entscheiden, ob wir die Einrichtung in „Haus für Medienkunst Oldenburg“ umbenennen wollen. Eine Hinweistafel soll über die Person Edith Russ, ihre Spende, die Veränderung und den Zusammenhang informieren.
Liebe Ratskolleg:innen,
dies ist auch ein Schritt, der nicht nur ein Zeichen für Transparenz und Verantwortung setzt, sondern auch für den bewussten Umgang mit unserer Vergangenheit.
Wir, Bündnis 90/DIE GRÜNEN teilen die Auffassung der Verwaltung, dass eine Umbenennung auch, wenn eine rechtliche Auseinandersetzung bezüglich des Stiftungsgeldes nicht komplett auszuschließen ist, wichtig ist.
Diese Entscheidung haben wir nicht leichtfertig getroffen, sondern sie ist das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung im Fachausschuss und in der Fraktion mit historischen Fakten und deren gutachterlichen Bewertung.
Liebe Oldenburger:innen,
nachträgliche Recherchen haben ergeben, dass Edith Russ, deren Stiftung die Initialfinanzierung für unser Medienhaus darstellt, eine größere Nähe zum Nationalsozialismus zugeschrieben werden muss, als ihrer Entnazifizierungsakte zunächst zu entnehmen war. Ihre journalistischen Tätigkeiten und meist Kulturartikel können gemäß Gutachten als Teil der NS-Propaganda gewertet werden. Sie gab völkisches Gedankengut wieder.
Nach den Erkenntnissen aus dem Gutachten hat sie ihre Vergangenheit als Mitglied der NSDAP (seit 1.5.1933) aktiv verschwiegen. Auch wenn ihr Nachkriegswirken als positiv empfunden wird, ist das bewusste Leugnen und Abstreiten ihrer NSDAP-Mitgliedschaft besonders hervorzuheben. Es wird festgehalten, dass sich „keine Hinweise finden lassen, dass sie sich später reflektierend oder selbstkritisch mit Ihrer Arbeit während der NS-Zeit auseinandergesetzt habe“.
Diese Erkenntnisse stellen uns vor eine Verantwortung. Als Ort der Reflexion und der kritischen Auseinandersetzung mit Geschichte und Gesellschaft können wir es nicht hinnehmen, dass diese Vergangenheit unerwähnt bleibt. Wir glauben an eine Erinnerungskultur, die auf Ehrlichkeit basiert – und genau deshalb informieren wir mit einer Hinweistafel am Gebäude.
Die Umbenennung ist kein Vergessen, sondern ein bewusster Umgang mit unserer Geschichte. Sie ist ein Zeichen dafür, dass wir unsere Werte – Offenheit, Demokratie und Menschlichkeit – auch in schwierigen Momenten verteidigen.
Liebe Mitarbeitende des Kulturbüros, liebe Frau Molnár und Herr Schwierin,
ich danke allen für die Unterstützung in diesem sensiblen Prozess. Lassen Sie uns dieses Haus weiterhin als einen Ort der freien Kunst und des kritischen Denkens für ein lokales, regionales und internationales Publikum gestalten und unterstützen.
Wir stimmen für die Beschlussvorlage.