Rede von Andrea Hufeland im Rat am 27.05.2024 zu TOP 11.4 Aberkennung Ehrenbürgerwürde Bernhard Winter
Mit der Ehrenbürgerwürde werden Persönlichkeiten ausgezeichnet, die sich um das Ansehen einer Stadt besonders verdient gemacht haben. Verbunden mit dieser Ehrung ist neben der Würdigung der Person und ihrer Leistung vor allem der Vorbildcharakter für die Bürgerinnen und Bürger. Helene Lange, Karl Jaspers, Leo Trepp, Horst Janssen - und der Heimatmaler Bernhard Winter befinden sich aktuell auf der Ehrenbürgerliste der Stadt Oldenburg.
Bei der Verleihung wird ein hoher Maßstab angelegt, spiegelt aber auch immer die aktuelle politische Situation der Zeit wider.
1935 erhielt z.B. Adolf Hitler, wie in vielen deutschen Städten und wenig später auch der NSDAP Gauleiter Weser-Ems, Carl Röver, die Ehrenbürgerwürde von Oldenburg. 1948 wurde sie ihnen Beiden aberkannt.
Die posthume Aberkennung wird kontrovers diskutiert. Wir teilen ausdrücklich aber nicht die Meinung, die in einem Leserbrief der Nordwest-Zeitung stand, dass es nun auch endlich genug sein müsse, "mit dem Rumschnüffeln in der Vergangenheit". Wir wollen, dass Erinnerungen im kollektiven Bewusssein wachgehalten und bewegt werden.
Im Nachkriegsdeutschland war die Erinnerungskultur eher eine Verdrängungskultur und ich kann mich gut erinnern an das Ringen in Schule, Uni und Familie, an Diskurse über Täter und Opfer, Mitläufer und Menschen im Widerstand und einen irgendwie angemessenen Umgang mit all dem Grauen und den vielen Fragen, wie das passieren konnte und warum das von so vielen Menschen zugelassen oder mitgetragen wurde. Diese Diskussionen brauchen wir heute wieder mehr denn je - um zu verstehen und aus unserer Geschichte zu lernen.
2014 haben wir Paul von Hindenburg und August Hinrichs die Ehrenbürgerwürde nach einer intensiven Debatte hier im Rat und in der Oldenburger Gesellschaft um die Umbenennung von Straßennamen aberkannt - wegen ihren Verstrickungen mit dem NS System.
In dieser Debatte stand Bernhard Winter schon auf der Liste der zu untersuchenden Straßennamen, wurde aber von der damaligen Jury nicht in die vertiefende Untersuchung aufgenommen. Das ist für uns GRÜNEN aus heutiger Sicht unverständlich. Bernhard Winter war ein Heimatmaler, der sich um die Jahrhundertwende großes Ansehen erworben hatte. Aus der wissenschaftlichen Untersuchung zu den Straßennamen wissen wir aber auch, dass Winter im „Dritten Reich“ von der Regierung gefördert und geehrt wurde. Bei der ersten Gauausstellung 1933 war er mit einem Ganzkörperportrait Carl Rövers vertreten. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich Winter den Nationalsozialisten zu entziehen versuchte, sondern er war bemüht, seine Kunst der kulturpolitischen Ausrichtung im Nationalsozialismus anzupassen, in dem das "Deutschtum" und „Nordische“ sowie die Ablehnung des „Fremdtums“ betont wurde. 1941 stellte er einen Aufnahmeantrag in die NSDAP, der aus Altersgründen und wegen der früheren Zugehörigkeit zu einer Freimaurerloge abgelehnt wurde. Bernhard Winter war vielleicht kein direkter Täter, aber aufgrund seiner hervorgehobenen Position im Bereich der Kunst ein Verstärker nationalsozialistischer Ideologie. Kein Vorbild aus heutiger Sicht.
Im Hinblick auf aktuelle Diskursverschiebungen, die darauf zielen, die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands zu relativieren, halten wir es für geboten, gerade heute Hinweisen auf Verstrickungen sorgfältig nachzugehen. Wir müssen diesen Diskurs führen, Erinnerungen wach halten, unsere Vergangenheit von Mythen und bequemen Erzählungen befreien, die Ursachen für das Entstehen des NS Regimes begreifen, unsere Erkenntnisse einbetten in unser heutiges Verständnis von Demokratie und Menschenrechten und dazu beitragen, dass sich unsere Geschichte nie wieder wiederholt. Das ist Teil und Aufgabe einer lebendigen Erinnerungskultur.
Die Ehrenbürgerschaft endet mit dem Tod, aber wie auch schon vor zehn Jahren bei Paul von Hindenburg und August Hinrichs stellt für uns GRÜNEN eine symbolische Aberkennung ein politisches Zeichen dar. Ein Zeichen, dass wir heute mehr denn je setzen sollten.